Sitzender Bildschirmkonsum scheint negativ mit Exekutivfunktionen assoziiert zu sein. Eine Reduktion sollte daher Therapiebestandteil in der pädiatrischen Onkologie/Hämatologie sein. Eingeschlossen wurden sieben Querschnittstudien mit gesunden Teilnehmer*innen (0-18 Jahre).
Background: Executive functions develop from childhood to adolescence. Physical activity promotes this process. However, recent studies report that paediatric oncology patients are mostly inactive. Thus, this review aims to examine effects of physical inactivity on executive functions in paediatric oncology/haematology.
Methods: The electronic database Pubmed was systematically searched from December 2020 to March 2021 followed by hand search in April 2021. Publications in English or German were included if they involved a healthy study population or paediatric oncology patients (0-18 years), examined physical activity/sedentary time and executive functions. Study quality was assessed using the „NIH Quality Assessment Tool for Observational Cohort and Cross-Sectional Studies“.
Results: Two observational cross-sectional studies and five observational longitudinal studies met the inclusion criteria. None included paediatric oncology patients. Participants were mean age 9,5 years (range 4-15 years). Associations between objectively/subjectively measured physical inactivity and executive functions were predominantly negative. According to two articles, especially screen time was affected (television, computer). Only one prospective study reported positive associations.
Conclusion: Physical inactivity may have different effects on executive functions. Reduced sedentary screen-time should be part of a preventive therapy in paediatric oncology/haematology. Prospective longitudinal studies in paediatric oncology/haematology are needed to elucidate relationships in this population.
Einleitung: Die Entwicklung der Exekutivfunktionen (Arbeitsgedächtnis, Inhibition, kognitive Flexibilität) dauert bis in die Adoleszenz an und körperliche Aktivität kann diese fördern. Aktuelle Studien zeigten jedoch, dass pädiatrisch-onkologische Patient*innen überwiegend inaktiv sind. Diese systematische Übersichtsarbeit soll daher die Auswirkungen körperlicher Inaktivität auf Exekutivfunktionen in der pädiatrischen Onkologie/Hämatologie betrachten.
Methoden: Die Datenbank Pubmed wurde im Zeitraum Dezember 2020 bis März 2021 durchsucht. Eine manuelle Suche folgte im April 2021. Eingeschlossen wurden englische und deutsche Studien sowohl aus der pädiatrischen Onkologie als auch mit gesunden Studienteilnehmer*innen (0-18 Jahre), die körperliche Inaktivität/Sedentarismus und Exekutivfunktionen untersuchten. Die Qualitätsbewertung erfolgte mithilfe des „NIH Quality Assessment Tool for Observational Cohort and Cross-Sectional Studies“.
Ergebnisse: Zwei beobachtende Längsschnitt- und fünf beobachtende Querschnittstudien wurden eingeschlossen. Keine betrachtete pädiatrisch-onkologische Patient*innen. Das Durchschnittsalter betrug 9,5 Jahre (Altersspanne 4-15 Jahre). Überwiegend bestanden negative Assoziationen zwischen objektiv oder subjektiv gemessener körperlicher Inaktivität und Exekutivfunktionen. Zwei Studien zeigten dies konkret für Bildschirmkonsum (Fernseher, Computer). Nur eine prospektive Studie beobachtete positive Korrelationen.
Schlussfolgerung: Körperlich inaktive Verhaltensweisen könnten unterschiedliche Auswirkungen auf Exekutivfunktionen haben. Eine Reduktion des sitzenden Bildschirmkonsums sollte daher Teil einer präventiven Therapie in der pädiatrischen Onkologie/Hämatologie sein. Prospektive longitudinale Studien aus der pädiatrischen Onkologie/Hämatologie werden benötigt, um Zusammenhänge in dieser Population zu erhellen.
Körperliche Inaktivität ist ein gesellschaftlich weit verbreitetes Phänomen mit diversen gesundheitlichen Folgen, zu denen unter anderem die Begünstigung von Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, koronarer Herzkrankheit und Kolonkarzinom zählen [1]. Selbst bei ausreichender körperlicher Aktivität kann es täglich zu langen Perioden der Inaktivität kommen. Daher sollte körperliche Inaktivität als eigenständiger gesundheitlicher Risikofaktor betrachtet werden und bezeichnet einen nicht ausreichenden Umfang moderater bis starker körperlicher Aktivität entsprechend [2]. Vorangetrieben wird der Trend zu einem inaktiven Lebensstil schon im Kindesalter beispielsweise durch verlängerte Sitzzeiten in der Schule und die Verfügbarkeit digitaler Medien. Vor diesem Hintergrund wird in den nationalen Empfehlungen der Bundesrepublik Deutschland dazu geraten, dass Kinder und Säuglinge zwischen null und drei Jahren sich möglichst viel bewegen, während im Alter von vier bis sechs Jahren täglich 180 Minuten körperlicher Aktivität zu empfehlen sind. Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis achtzehn Jahren wird zu 90 Minuten täglicher körperlicher Aktivität geraten [3]. Als körperliche Aktivität ist dabei jede Form der Bewegung zu verstehen [3], wobei mittels Akzelerometermessungen wiederum moderate, intensive und sehr intensive körperliche Aktivität unterschieden werden kann [4]. Für das Ausmaß körperlicher Inaktivität existieren im Gegensatz dazu keine klaren Richtlinien. Eine Reduktion des Sedentarismus wird aber allgemein angeraten [4]. Definiert werden kann der Sedentarismus als Energieverbrauch von 1-1,5 MET (engl. metabolic equivalent of task) in einer sitzenden oder liegenden Position [5]. Eine im Jahr 2012 publizierte europäische Studie konnte dennoch zeigen, dass nur 4,6 % der Mädchen und 16,8 % der Jungen im Alter von zehn bis zwölf Jahren die Aktivitätsempfehlungen erreichten. Das Ausmaß des Sedentarismus reichte dagegen von 447 Minuten täglich (niederländische Jungen) bis 526 Minuten pro Tag (griechische Mädchen) [4]. Diese Daten zeigen neben dem beträchtlichen Ausmaß der Inaktivität mit etwa acht Stunden täglich auch die internationale Relevanz dieser Thematik. Bei der Untersuchung des außerschulischen Verhaltens zeigte sich im Vergleich zu anderen Tätigkeiten zudem, dass Jugendliche mit durchschnittlich 15 Jahren einen großen Teil des freien Nachmittages vor einem Bildschirm verbrachten (Jungen: 50 Minuten, Mädchen: 35 Minuten), wohingegen nur etwa 20 Minuten körperlicher Aktivität berichtet wurden [6].
Die aufgeführten Studienergebnisse zeigen bereits eine starke Tendenz zur inaktiven Lebensweise bei gesunden Kindern. In der pädiatrischen Onkologie können beispielsweise Klinikaufenthalte, langwierige Therapien, deren unerwünschte Wirkungen und die Fürsorge des äußeren Umfelds zu einer weiteren Zunahme der Inaktivität führen [7]. Dies ist von besonderer Relevanz, da die aufgeführten negativen gesundheitlichen Folgen zusätzlich zu der onkologischen Grunderkrankung auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass Patient*innen (5-18 Jahre) sowohl während des stationären Aufenthalts als auch in der Häuslichkeit signifikant weniger aktiv waren als eine gesunde Vergleichsgruppe [8]. Eine weitere Studie zeigte, dass Patient*innen (3-12 Jahre) 90 % der Zeit sitzend verbrachten, wobei neben dem Schlafen auch Fernsehen und Computerspielen sehr verbreitet waren [9]. Auch ein Jahr nach der Therapie eines Hirntumors verbrachten Patient*innen (6-18 Jahre) den größten Teil des Tages inaktiv (9.9 ± 1.1 h/d). Wenngleich der Unterschied zu einer gesunden Vergleichsgruppe hier nicht mehr signifikant war, betrug die zusätzliche Inaktivität 3,4 Stunden pro Woche [10].
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Folgen die körperliche Inaktivität hat, wobei in diesem systematischen Review kognitive Fähigkeiten betrachtet worden sind.
Als exekutive Funktionen werden in der Neuropsychologie verschiedene kognitive Fähigkeiten bezeichnet, die für zielgerichtetes Verhalten benötigt werden. Somit umfasst dieses Konstrukt höhere kognitive Prozesse, die über automatisierte Handlungsabläufe hinausgehen und eine Anpassung an komplexe Situationen ermöglichen [11]. Drei Basisprozesse sind zu unterscheiden: Inhibition präpotenter Impulse, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität. Hierauf aufbauend existieren verschiedene höhere Exekutivfunktionen wie Planen, Problemlösung und logisches Denken [12]. Die Exekutivfunktionen sind in jedem Lebensbereich relevant [11], was anhand der Definitionen nach Diamond et al. [12] nachvollziehbar wird: Inhibition umfasst die Fähigkeiten, irrelevante Stimuli auszublenden, fokussiert zu bleiben und impulsive Verhaltensweisen ebenso wie unerwünschte Gedanken oder Emotionen zu unterdrücken. Das Arbeitsgedächtnis erlaubt es, Informationen aufrechtzuerhalten und mit diesen gleichzeitig zu arbeiten. Hierdurch wird zum Beispiel logisches Denken möglich. Kognitive Flexibilität ist notwendigerweise mit den erstgenannten Exekutivfunktionen verknüpft. Sie ist wesentlich für die Anpassung an sich verändernde Situationen, das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven und das Ändern von Gedankengängen.
Die Exekutivfunktionen sind besonders in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von großer Relevanz [13], was sich zum Beispiel anhand der positiven Assoziation zwischen exekutiven Funktionen und schulischer Leistung [14] zeigen lässt.
Lokalisiert sind die Exekutivfunktionen im präfrontalen Kortex und die Entwicklung der dort lokalisierten neuronalen Schaltkreise dauert bis in die Adoleszenz an. Ein ähnlicher Reifungsprozess kann für Exekutivfunktionen beobachtet werden [14] [15]. So könnte sich erklären lassen, dass die noch nicht ausgereiften Exekutivfunktionen im jungen Alter durch äußere Einflüsse (beispielsweise ausgeprägte körperliche Aktivität) in ihrer Entwicklung moduliert werden können [15]. Während hinsichtlich chronischer Aktivität inkonsistente Ergebnisse berichtet wurden, zeigten sich für akute körperliche Betätigung positive Effekte auf Exekutivfunktionen bei Kindern und Jugendlichen [15] [16]. Besonders günstige Auswirkungen schien dabei moderate Intensität (60 % der maximalen Herzfrequenz und der VO2max) zu haben [16]. Eine Übersichtarbeit konnte zeigen, dass akutes aerobes und zugleich kognitiv anspruchsvolles Training (beispielsweise koordinative Übungen und Gruppenspiele) positiv mit Exekutivfunktionen korrelierten [15]. Neben den kognitiven Anforderungen wurden weitere mögliche Mechanismen diskutiert [15]: Komplexe motorische Bewegung könnte unter anderem zu einer Aktivierung des präfrontalen Kortex zu führen und darüber auf die Exekutivfunktionen wirken. Auch eine erhöhte Konzentration an Wachstumsfaktoren wie BDNF (Brain-derived neurotrophic factor), damit verbundene Langzeitpotenzierung und Neurogenese im präfrontalen Kortex und Hippocampus ließen sich in Tiermodellen zeigen. In Menschen konnten gesteigerter zerebraler Blutfluss, Hochregulation von BDNF sowie Monoaminen (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) und auf funktioneller Ebene eine gesteigerte frontale Aktivierung nachgewiesen werden. Darüber hinaus zeigte eine Studie eine positive Assoziation zwischen körperlicher Aktivität und schulischer Leistung. Die Exekutivfunktionen wirkten hier wiederum als Mediator [17], woran sich erneut die Bedeutung dieser höheren kognitiven Fähigkeiten für Kinder und Jugendliche hervorheben lässt.
Somit zeigt sich, dass die Folgen körperlicher Aktivität für Exekutivfunktionen bereits wiederholt untersucht und in Übersichtsarbeiten dargestellt wurden. Unter Beachtung der ausgeprägten Inaktivität besonders in der pädiatrischen Onkologie und der erläuterten Relevanz von Exekutivfunktionen stellt sich jedoch die Frage, welche Beziehungen in diesem Kontext bestehen. Die vorliegende Literaturarbeit soll daher die Auswirkungen körperlicher Inaktivität auf Exekutivfunktionen in der pädiatrischen Onkologie/Hämatologie betrachten.
Unter Beachtung der Satzung der Charité zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis.
Zur Identifizierung relevanter Studien wurde die elektronische Datenbank Pubmed im Zeitraum 1.12.2020 bis 31.3.2021 durchsucht. Es wurde eine strukturierte Suche mithilfe von Freitextbegriffen und standardisierten „Medical Subject Headings“ (MeSH) durchgeführt. Eingeschlossen wurden alle Studien, die vor April 2021 publiziert wurden.
Die Suche in Pubmed, um Studien aus der pädiatrischen Onkologie zu identifizieren, lautete:
child [MeSH] OR child* [TIAB] OR adolescent [MeSH] OR adolescen* OR AYA [TIAB] OR pediatr* [TIAB] OR paediatr* [TIAB] OR pediatrics [MeSH] OR juvenil* [TIAB] OR infancy [TIAB] OR infan* AND neoplasms [MeSH] OR cancer OR cancer* [TIAB] OR oncolog* [TIAB] OR tumor* [TIAB] OR tumour* OR malignan* [TIAB] AND physical inactivity [TIAB] OR inactive lifestyle [TIAB] OR sedentary lifestyle [MeSH] OR sedentary time [TIAB] OR sedentary behavior [TIAB] OR lack of physical activity [TIAB] OR lack of exercise [TIAB] AND cognition [TIAB] OR cognitive manifestation [MeSH] OR cognitive function [MeSH] OR executive function [TIAB] OR executive control [MeSH].
Zusätzlich wurde folgende Suchstrategie für Studien mit einer gesunden Studienpopulation verwendet:
child [MeSH] OR child* [TIAB] OR adolescent [MeSH] OR adolescen* OR AYA [TIAB] OR pediatr* [TIAB] OR paediatr* [TIAB] OR pediatrics [MeSH] OR juvenil* [TIAB] OR infancy [TIAB] OR infan* AND physical inactivity [TIAB] OR inactive lifestyle [TIAB] OR sedentary lifestyle [MeSH] OR sedentary time [TIAB] OR sedentary behavior [TIAB] OR lack of physical activity [TIAB] OR lack of exercise [TIAB] AND executive functions [MeSH] OR executive function [TIAB] OR executive control [MeSH] OR cognition [TIAB] OR cognitive manifestation [MeSH] OR cognitive function [MeSH].
Die gefundenen Artikel wurden anhand vorab definierter Ein- und Ausschlusskriterien untersucht und die Ausschlussgründe dokumentiert. Alle nach Beurteilung der Volltexte ausgewählten Studien wurden in das Literaturverwaltungsprogramm EndNote importiert. Im April 2021 folgte eine manuelle Suche, indem die Literaturverzeichnisse der ausgewählten Studien auf bisher unberücksichtigte Veröffentlichungen untersucht wurden.
Die Artikel mussten im Volltext verfügbar sein und auf Deutsch oder Englisch vorliegen. Es bestand keine Einschränkung hinsichtlich des Studiendesigns. Die Studienpopulation sollte gesunde oder krebskranke Kinder und Jugendliche im Alter von null bis achtzehn Jahren umfassen. Ausgeschlossen wurden Studien, die sich auf Kinder mit anderen Vorerkrankungen oder adipöse Kinder spezialisierten. Diese Einschränkung der Studienpopulation sollte differenziertere Aussagen ermöglichen. Obligat war die Erfassung von körperlicher Inaktivität zu mindestens einem Messzeitpunkt. Arbeiten, die Inaktivität als „Sedentarismus“ definierten, wurden gleichermaßen eingeschlossen. Wurde zusätzlich körperliche Aktivität untersucht, musste die Inaktivität zu mindestens gleichen Teilen betrachtet worden sein. Exekutive Funktionen mussten untersucht worden sein und die Methodik zur Beurteilung dieses Endpunkts detailliert beschrieben vorliegen. Arbeiten, die neben den Exekutivfunktionen weitere Endpunkte einschlossen, wurden berücksichtigt.
Ausgeschlossen wurden Studien, die ausschließlich den Ersatz körperlicher Inaktivität durch Aktivität betrachteten. Unberücksichtigt blieben auch Studien, in denen nur die Dauer des Fernsehens betrachtet wurde. Es wurde angenommen, dass hier neben der körperlichen Inaktivität weitere Einflussfaktoren eine Rolle spielen, beispielsweise zusätzliche Nahrungsaufnahme während des Fernsehens. Außerdem kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass alle Kinder während des Fernsehens inaktiv sind. Hieran anknüpfend wurden Artikel ausgeschlossen, die sich mit der Beziehung zwischen „Action Video Games“ und Exekutivfunktionen befassten. Auch hier könnten neben der körperlichen Inaktivität weitere Faktoren auf kognitive Fähigkeiten Einfluss nehmen (beispielsweise konkreter Inhalt der Spiele, Interaktion mit Mitspielern).
Die Qualität der Studien wurde mithilfe des „NIH Quality Assessment Tool for Observational Cohort and Cross-Sectional Studies“ [18] bewertet. Für jede der 14 Fragen gab es die Antwortmöglichkeiten „ja“, „nein“ und „andere“. Letztere galt für Fragen, die im Einzelfall nicht anwendbar oder nicht zu entscheiden waren. Jede Studie wurde einzeln untersucht und als „gut“, „mittelmäßig“ oder „schwach“ bewertet.
Die Suche in Pubmed nach Studien aus der pädiatrischen Onkologie ergab acht Treffer. Diese beschäftigten sich jedoch nicht mit pädiatrisch-onkologischen Patient*innen. Die zweite Suchstrategie führte zu 207 Treffern. Nach Entfernung von Duplikaten beider Suchstrategien verblieben 207 Studien. Durch Screening der Titel und Abstracts konnten bereits 160 Studien ausgeschlossen werden. Die verbliebenen Studien wurden im Volltext gelesen. Ausschlussgründe umfassten: Ausschließliche Untersuchung von Aktivität (n = 18) oder Reduktion des Sitzens (n = 5), Endpunkt „Kognition“ ohne nähere Definition (n = 18), Einfluss der Exekutivfunktionen auf inaktive Verhaltensweisen (n = 4), Durchführung einer Zusammenhangsanalyse für Sedentarismus, Aktivität, Schlaf und kognitive Entwicklung (n = 1). Einige Studien wurden aus mehreren Gründen ausgeschlossen. Die manuelle Suche ergab keine zusätzlichen Arbeiten. Insgesamt erfüllten sieben Studien die Einschlusskriterien, die in diesem systematischen Review betrachtet worden sind.
Abbildung 1 zeigt das Vorgehen der Literaturrecherche für beide Suchstrategien zusammen in einem PRISMA Flussdiagramm.
Die wichtigsten methodischen Charakteristika der eingeschlossenen Studien sind in Tabelle 1 aufgeführt. Keine der Arbeiten beschäftigte sich mit krebskranken Kindern. Allerdings betrachtete die Studie von Mazzoli et al.[19] nicht ausschließlich gesunde Kinder, da 15 der 149 Teilnehmer*innen verschiedene Vorerkrankungen berichteten. Die Autor*innen wiesen allerdings darauf hin, dass diese die Ergebnisse nicht beeinflussten. Daher wurde die Studie in dieser Übersichtsarbeit berücksichtigt.
Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer*innen betrug 9,5 Jahre (Altersspanne 4-15 Jahre).
Bei fünf Studien handelte es sich um Querschnittstudien [13] [19] [20][21] [22], während zwei Studien prospektive Längsschnittstudien darstellten [23] [24]. Zu letzteren gehört die Studie von Wickel et al. [24], in der Daten zum Sedentarismus der Studienpopulation im Alter von neun und fünfzehn Jahren vorlagen. Exekutivfunktionen wurden bei denselben Kindern nur mit fünfzehn Jahren getestet. Im longitudinalen Design von López-Vicente et al.[23] wurde die Inaktivität in drei jüngeren Subkohorten mit vier Jahren registriert und das Arbeitsgedächtnis mit sieben Jahren geprüft. In der älteren Subkohorte fand die Datenerhebung analog mit sechs Jahren (Sedentarismus) und vierzehn Jahren (Arbeitsgedächtnis) statt.
Alle Studien stellten Beobachtungsstudien dar.
Die untersuchten Dimensionen der Exekutivfunktionen mit der zugehörigen Methodik variierten (siehe Tabelle 1). Anzumerken ist, dass einzig Wickel et al. [24] die fluide Intelligenz als Exekutivfunktion definierten sowie als Endpunkt verwendeten. Die Studie von Zeng et al. [20] bildet eine Ausnahme, da hier explizit Beeinträchtigungen der exekutiven Funktionen erfasst und mit der Elternversion des „Behavior Rating Inventory of Executive Function“ (BRIEF) abgefragt wurden. Zwar verwendeten auch Riggs et al. [22] den BRIEF, allerdings wurden die Scores hier so modifiziert, dass höhere Scores im Selbstbeurteilungsverfahren eine bessere exekutive Funktionsfähigkeit wiederspiegelten. Die übrigen Studien nutzten objektive neuropsychologische Testverfahren. Während der „Tower of London“ jedoch in der Studie von van der Niet et al. [13] die Planungsfähigkeit prüfte, wandten Wickel et al. [24] ihn als Test für fluide Intelligenz an. Es sei erwähnt, dass Riggs et al. [22] ihre Ergebnisse trotz des Querschnittdesigns überwiegend im Kontext des Einflusses von Exekutivfunktionen auf Sedentarismus diskutierten. Da die Autor*innen aber dennoch die Möglichkeit des umgekehrten oder bidirektionalen Zusammenhangs nannten, wurde die Studie eingeschlossen.
Körperliche (In-)Aktivität wurde in drei Studien mit einem Akzelerometer registriert, den die Kinder für sieben aufeinanderfolgende Tage tragen sollten [13] [21] [23]. Eine Arbeit verwendete Inklinometer. Diese mussten nur für zwei Schultage getragen werden [19]. In vier Studien wurden Fragebögen für das Ausmaß der (In-)Aktivität genutzt [20] [21] [22] [23]. Nur Syväoja et al. [21] verwendeten sowohl Akzelerometer als auch ein Fragebogenverfahren. Anzumerken ist auch, dass Mazzoli et al. [19] die Messungen auf den Schultag beschränkten, während drei Arbeiten [20] [22] [23] sich explizit auf den außerschulischen Sedentarismus fokussierten. Die anderen Studien gaben keine nähere Differenzierung an [13] [21] [24].
Fünf Studien wurden mit „gut“ bewertet [26] [20] [21] [22] [24], eine Studie wurde als „mittelmäßig“ [23] und eine Studie als „schwach“ [13] eingeschätzt. Auffallend war die sehr kleine Studienpopulation in zwei Arbeiten [13][21]. In der Studie von Zeng et al. [20] stellte die große Anzahl der Teilnehmer*innen dagegen eine Stärke dar. Allerdings könnte hier aufgrund der geschichteten Zufallsstichprobe ein Selektionsbias vorgelegen haben. Gleiches gilt für eine weitere Studie, in der nur Teilnehmer*innen eines Programms zur Prävention von Übergewicht eingeschlossen wurden [22]. Möglicherweise war das Ausmaß der körperlichen Inaktivität hier aufgrund der Teilnahme in diesem Programm verändert. Auch in einer Längsschnittstudie ist ein Selektionsbias möglich, da knapp 50 % der Teilnehmer*innen aufgrund fehlender Daten vorzeitig verloren gingen (engl.: loss to follow-up) [23].
Nur in drei Arbeiten wurden die Ein- und Ausschlusskriterien der Studienteilnehmer*innen detailliert dargestellt [26][20][21]. In der Studie von López-Vicente et al. [23] lagen unterschiedliche Fragebögen zur Erfassung der körperlichen Inaktivität vor, weshalb die Antworten a posteriori aufeinander abgestimmt wurden.
Ergänzend zu den Bewertungskriterien aus der verwendeten Checkliste fiel auf, dass in zwei Studien Angaben zu möglichen Interessenskonflikten fehlten [13] [22], während in einer Arbeit ein Interessenskonflikt benannt wurde [19].
Die Ergebnisse der einzelnen Studien können Tabelle 2 entnommen werden.
Nur van der Niet et al. [13] konnten eine negative Assoziation zwischen körperlicher Inaktivität und Inhibition zeigen (r = -0.24, p < 0.05). Zusätzlich wurden Planungsfähigkeit, Arbeitsgedächtnis und kognitive Flexibilität geprüft, wobei die Korrelationskoeffizienten hier zwar negative Werte annahmen, jedoch keine statistische Signifikanz erreichten. Auch eine weitere Studie konnte weder hinsichtlich des Arbeitsgedächtnisses noch der Fähigkeit, Antwortimpulse im „Go/No-Go task“ zu inhibieren, eine signifikante Korrelation beobachten [19]. Im Gegensatz dazu fanden Syväoja et al. [21] im Fragebogenverfahren eine signifikant negative Korrelation zwischen Arbeitsgedächtnis und dem Sitzen bei Computer-/Videospielen (B = -0.179). Es bestand außerdem eine negative Beziehung zwischen sitzender Computernutzung (ausgenommen Computerspiele) und kognitiver Flexibilität (OR = 0.639). Die objektiven Messungen mit Akzelerometern führten aber auch hier nicht zu signifikanten Ergebnissen. Riggs et al. [22] fragten außerschulisches Sitzen beim Fernsehen, bei Videospielen oder am Computer ab und erhielten ebenfalls eine signifikante negative Korrelation mit exekutiver Funktionsfähigkeit (r = -0,21). Eine Studie beobachtete nur bei Jungen der älteren Subkohorte signifikante Ergebnisse [23]: Verglichen mit körperlich aktiven Jungen war die Leistung inaktiver Jungen der älteren Subkohorte im „2-back-Test“ signifikant schlechter (Reduktion der Antwortrichtigkeit: 5,07 %). Gemeinsam abgefragt wurden inaktive Spiele (z.B. Puzzeln, Puppenspiele) und andere inaktive Tätigkeiten (z.B. Lesen, Hausaufgaben, Computer-/Videospiele). Ausgenommen war das Fernsehen, welches separat erfragt wurde und keine Assoziation zeigte.
Die Studie von Zeng et al. [20] stützt die genannten Ergebnisse. Körperlich inaktivere Kinder erhielten insgesamt höhere T-Scores im BRIEF, was für eine stärkere Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen spricht. Es ließen sich vier Gruppen unterscheiden: Viel Sitzen und wenig Aktivität war mit dem höchsten T-Score assoziiert (48.23 ± 8.44), darauf folgten viel Sitzen und viel Aktivität (47.10 ± 8.05), wenig Sitzen und wenig Aktivität (45.81 ± 7.78) sowie schließlich wenig Sitzen und viel Aktivität (44.41 ± 7.31) an. Dieses Ergebnis spiegelte sich nicht nur im Gesamtergebnis, sondern ebenso in den einzelnen Indices dieses Fragebogens wider (Verhaltensregulations-Index, Kognitiver Regulations-Index). Die erhobenen Scores unterschieden sich mit Ausnahme der Kategorie „Shift“ signifikant zwischen den Gruppen mit ausgeprägtem Sedentarismus und den weniger sitzenden Kindern. Außerdem fand sich eine vom Aktivitätsgrad unabhängige positive Korrelation zwischen Sedentarismus und den T-Scores aller Indices des BRIEFs (p < 0.05).
Den aufgeführten Studienergebnissen steht die Arbeit von Wickel et al. [24] gegenüber. Eine höhere fluide Intelligenz mit fünfzehn Jahren war mit verstärktem Sedentarismus mit neun Jahren assoziiert (B = 0.031). Bei Zunahme des Sitzens in diesem Zeitraum (9-15 Jahre) zeigte sich nicht nur eine höhere fluide Intelligenz (B = 0.029), sondern auch eine signifikante Verbesserung von Inhibition (B = 0.003) und Arbeitsgedächtnis (B = 0.074). Auch der Sedentarismus mit fünfzehn Jahren korrelierte signifikant positiv mit Inhibition (B = 0.003), Arbeitsgedächtnis (B = 0.055) und fluider Intelligenz (B = 0.045).
Zusammenfassend beobachtete die Mehrheit der Studien eine negative Assoziation zwischen körperlicher Inaktivität und Exekutivfunktionen bei Kindern und Jugendlichen. Subjektive Verfahren (Fragebögen) zeigten dies konkret zwischen verschiedenen Formen der Computernutzung und Arbeitsgedächtnis/kognitiver Flexibilität [21] sowie zwischen Fernsehen, Videospielen, Computernutzung und Exekutivfunktionen [22]. Ein Ergebnis zeigte nur bei Jungen eine negative Korrelation mit dem Arbeitsgedächtnis [23]. Demgegenüber fand eine prospektive Studie eine positive Korrelation von Exekutivfunktionen und Sedentarismus mit neun Jahren, fünfzehn Jahren und innerhalb der Zeitspanne [24].
Grundsätzlich muss bei der Interpretation der subjektiv und objektiv erhobenen Ergebnisse Folgendes bedacht werden: Akzelerometer registrieren „counts per minute“, wodurch anhand vorab definierter Grenzwerte die Inaktivität gemessen werden kann. Es kann aber nicht zwischen verschiedenen sitzenden Tätigkeiten unterschieden werden [13],[21] [24]. Mit Inklinometern ist es zusätzlich möglich, zwischen Sitzen und Stehen zu differenzieren [19]. Fragebögen erlauben es dagegen, einzelne inaktive Verhaltensweisen gezielt zu erfassen. Eine Übersichtsarbeit zeigte bereits, dass diese sitzenden Tätigkeiten unterschiedlich mit kognitiver Entwicklung korrelieren [27]. Die in den eingeschlossenen Studien beobachteten negativen Assoziationen zwischen inaktiver Nutzung elektronischer Geräte und Exekutivfunktionen [21] [24] lassen vermuten, dass dies ebenfalls für Exekutivfunktionen gelten könnte. Objektive Messungen führten dagegen seltener zu signifikanten Ergebnissen. Dies könnten Hinweise sein, dass eine genauere Differenzierung inaktiver Tätigkeiten notwendig ist und konkret der Bildschirmkonsum während der inaktiven Zeit verantwortlich für die negativen Assoziationen ist.
Ergänzt werden diese Vermutungen durch das Studienergebnis hinsichtlich inaktiver Jungen [23]. López-Vicente et al. [23] diskutierten unterschiedliche inaktive Tätigkeiten bei Jungen und Mädchen als Ursache, die hier nicht näher erläutert wurden. Verschiedene Arbeiten zeigten, dass Jungen mehr Fernsehen [23] und Computerspiele spielen [6] [21] als Mädchen. Der inaktive Bildschirmmedienkonsum könnte auch in diesem Fall negativen Einfluss auf zielgerichtetes Verhalten der Jungen haben. Eine geschlechterspezifische Betrachtung erscheint daher sinnvoll. Einschränkend muss aber bedacht werden, dass sich das Ergebnis von López-Vicente et al. [23] auf verschiedenes inaktives Verhalten bezog. Außerdem wurde das Fernsehen gesondert abgefragt und zeigte keine signifikanten Ergebnisse. Es wurde diskutiert, dass dies an fehlenden Angaben bezüglich des Fernsehprogramms liegen könne, welches ebenfalls Einfluss habe [23].
Ein möglicher Mechanismus der vermuteten Beziehung zwischen Bildschirmkonsum während der inaktiven Zeit und Exekutivfunktionen könnte sein, dass hierdurch Zeit ersetzt wird, die auch für kognitiv anspruchsvolle Tätigkeiten genutzt werden könnte [21]. Bezüglich solcher kognitiv fordernder inaktiver Verhaltensweisen muss die von Wickel et al. [24] beobachtete positive Assoziation zwischen Sedentarismus und Exekutivfunktionen genauer betrachtet werden. Die Autor*innen vermuteten, dass diese beispielsweise mit dem Erledigen von Hausaufgaben oder Lesen zusammenhängen könnten. Gleiches diskutierte eine andere Studie, die eine positive Korrelation zwischen objektiv gemessener Inaktivität und Aufmerksamkeit fand [21]. Für diese kognitiv fordernden Aktivitäten werde kontinuierliche Aufmerksamkeit benötigt [21]. Möglicherweise sind hierfür außerdem Komponenten der Exekutivfunktionen notwendig, was die positive Korrelation erklären könnte. Überprüft werden sollte dies im Fragebogenverfahren.
Gemeinsam ist allen Studien, dass die Notwendigkeit einer getrennten Betrachtung von Aktivität und Inaktivität deutlich wird. Zeng et al. [20] folgerten entsprechend, dass langes Sitzen bei Kindern auch bei ausreichender körperlicher Aktivität zu exekutiven Dysfunktionen führen könne. Eine Beeinträchtigung exekutiver Funktionen im weiteren Sinne zeigten auch Mazzoli et al. [19] anhand einer positiven Assoziation zwischen Sedentarismus und Aufmerksamkeits-/Konzentrationsmangel, der in Konflikt mit Exekutivfunktionen stehe. Die Autor*innen argumentierten daher, dass lange Sitzzeiten in der Schule negativ auf Exekutivfunktionen wirken könnten. Dies wäre vor dem Hintergrund der angeführten Hypothese von Wickel et al. [24] aber verwunderlich, da besonders in der Schule von kognitiv fordernden sitzenden Tätigkeiten ausgegangen werden kann und diese wie erläutert positiv mit Exekutivfunktionen korrelieren könnten. Weitere Studien werden somit benötigt.
Allerdings lassen die in Querschnittstudien beobachteten Korrelationen keine Aussagen über die Richtung des Zusammenhangs zu, wie eine Arbeit erörterte [22]. Longitudinale Studien sind daher notwendig.
Ziel dieser systematischen Literaturarbeit war es, die Folgen von Inaktivität für Exekutivfunktionen speziell in der pädiatrischen Onkologie herauszuarbeiten. Es sei auf die hier bestehende Lücke in der Forschung hingewiesen. Vermutet werden kann jedoch, dass die Auswirkungen auf Exekutivfunktionen in der pädiatrischen Onkologie aufgrund der hier verstärkten Inaktivität (siehe Einleitung) noch prägnanter sind. Einschränkend sollte aber bedacht werden, dass die bestehende Grunderkrankung der Patient*Innen, deren Komplikationen und Folgeerkrankungen sowie weitere Faktoren wie unerwünschte Arzneimittelwirkungen die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf diese Studienpopulation einschränken könnten. Untersucht werden müsste außerdem für die einzelnen Erkrankungen, wie stark die Inaktivität jeweils ausgeprägt ist. Ebenso spielt es wahrscheinlich auch hier eine Rolle, welcher sitzenden oder liegenden Tätigkeit die Patient*innen konkret nachgehen. Eine negative Assoziation zwischen inaktiver Nutzung elektronischer Geräte und Exekutivfunktionen kann aber insbesondere bei Kindern, die krankheitsbedingt die Schule nicht besuchen, vermutet werden. Außerdem ist es vorstellbar, dass besonders Patient*innen mit Hirntumoren von einer Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen betroffen sind. Es sollte geprüft werden, ob es sich bei diesen Erkrankungen um einen eigenständigen Risikofaktor handelt und ob körperliche Inaktivität die Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen bei diesen Patient*innen zusätzlich verstärkt.
Die eingeschlossenen Studien waren sehr heterogen. So variierte das Alter der Studienteilnehmer*innen, was beim Vergleich der Studien berücksichtigt werden muss. Gleiches gilt für die erläuterten Unterschiede zwischen subjektiven und objektiven Verfahren zur Messung der Inaktivität. Außerdem besteht beim Einsatz von Fragebögen die Gefahr des Recall-Bias. Es sei darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt der Datenerhebung zwischen extrakurrikulär und innerschulisch variierte. Weil außerschulisch mehr Zeit zum Computerspielen oder Fernsehen bleibt, unterschied sich die Art der Inaktivität in den Studien.
Da die einzelnen Studien unterschiedliche Dimensionen der Exekutivfunktionen testeten, sind zu den einzelnen Aspekten nur wenige Ergebnisse vorhanden. Innerhalb der einzelnen Dimensionen gibt es ebenfalls Unterschiede: Syväoja et al. [21] fokussierten sich konkret auf das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis. Mazzoli et al. [19] prüften dagegen das phonologische Arbeitsgedächtnis und spezifisch die Inhibition von Antwortimpulsen. Inhibition wurde in den anderen Studien nicht näher differenziert. Ferner ist der BRIEF speziell zur Testung der Exekutivfunktionen von Kindern im Alltag konzipiert, was für computerbasierte Testverfahren genauer geprüft werden sollte [24]. Die Vergleichbarkeit der Studien wird auch dadurch eingeschränkt, dass der „Tower of London“ zur Messung unterschiedlicher Exekutivfunktionen verwendet wurde (siehe Tabelle 1).
Da es sich bei den eingeschlossenen Studien überwiegend um Querschnittstudien handelte und die beiden Längsschnittstudien divergierende Ergebnisse zeigten, kann anhand der festgestellten Korrelationen nicht auf kausale Zusammenhänge geschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Studienanzahl sehr begrenzt ist.
Eine methodische Stärke dieses systematischen Reviews ist die strukturierte Suche in der Datenbank Pubmed, wodurch ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben werden konnte. Es wurden allerdings keine weiteren Datenbanken für die Literaturrecherche herangezogen und die Suche wurde nur von einer Person durchgeführt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass relevante Artikel unberücksichtigt blieben. Auch noch unveröffentlichte Studien konnten nicht gefunden werden. Die Einschlusskriterien umfassten eine heterogene Studienpopulation (Kinder und Jugendliche von 0-18 Jahren), da sich Bewegungsdrang und inaktive Tätigkeiten in Abhängigkeit vom Alter unterscheiden können. Außerdem wurden keine Studien aus der pädiatrischen Onkologie gefunden, weshalb für diese Patient*innen lediglich Vermutungen auf Grundlage der gefundenen Ergebnisse angeführt wurden.
Insgesamt zeigte ein Großteil der Studien, dass eine Förderung körperlicher Aktivität alleine nicht ausreicht. Gleichermaßen muss eine Reduktion der inaktiven Bildschirmkonsumzeit schon früh angestrebt werden, um die kognitive Entwicklung zu begünstigen. Kognitiv anspruchsvolle inaktive Tätigkeiten scheinen dagegen fördernd zu wirken. Die Umsetzung entsprechender Maßnahmen könnte zu einer Förderung der Exekutivfunktionen mitsamt der schulischen Leistung beitragen. Besonders in der pädiatrischen Onkologie könnte ein solcher therapeutischer Ansatz helfen, den Patient*innen die Wiedereingliederung in den Alltag zu erleichtern und einer Beeinträchtigung der kognitiven Entwicklung durch krankheitsbedingte Inaktivität entgegenzuwirken. Zusätzlich sollte die positive Assoziation zwischen akuter körperlicher Aktivität und Exekutivfunktionen durch Integration von Sport in den (stationären) Therapieplan genutzt werden. Zukünftige Arbeiten sollten darüber hinaus die uneinheitlichen Ergebnisse hinsichtlich chronischer Aktivität und Exekutivfunktionen aufarbeiten und dies besonders im Kontext der pädiatrischen Onkologie untersuchen.
Zukünftige Studien mit hohen Fallzahlen sollten daher Patient*innen aus der pädiatrischen Onkologie einschließen. Eine Differenzierung inaktiver Verhaltensweisen muss vorgenommen werden. Der konkrete Inhalt von Computerspielen sowie das Fernsehprogramm sind ebenfalls entscheidend. Wichtig ist daher eine Erfassung der Endpunkte mittels objektiver sowie subjektiver Verfahren. Ebenso müssen alle Dimensionen der Exekutivfunktionen getestet werden. Wünschenswert ist ein prospektives longitudinales Studiendesign, um kausale Zusammenhänge aufzeigen zu können. Auch eine Intervention würde hierzu beitragen. Potenzielle Störfaktoren (engl. Confounder) wie Geschlecht und Alter, Gewicht, sozioökonomischer Status der Familie [20], ethnische Herkunft [19], und Intelligenzquotient [20] wurden in dieser Übersichtarbeit identifiziert und sollten berücksichtigt werden. Einen weiteren Forschungsbereich stellen die Mechanismen der Beziehung zwischen Inaktivität und Exekutivfunktionen dar.