Skip to main content
SearchLoginLogin or Signup

Evaluation von hochintensivem Intervalltraining (HIIT) im Vergleich zu moderatintensivem kontinuierlichem Training (MICT) in Bezug auf die psychisch relevanten Biomarker BDNF und Cortisol: ein systematisches Review

HIIT scheint MICT in Bezug auf psychische Erkrankungen überlegen zu sein, die Biomarker BDNF und Cortisol könnten eine Rolle spielen. Zehn Studien wurden in das Review einbezogen. BDNF könnte im Gegensatz zu Cortisol die Überlegenheit von HIIT erklären.

Published onMay 07, 2022
Evaluation von hochintensivem Intervalltraining (HIIT) im Vergleich zu moderatintensivem kontinuierlichem Training (MICT) in Bezug auf die psychisch relevanten Biomarker BDNF und Cortisol: ein systematisches Review
·

Abstracts [EN, DE]


Abstract [EN]

Background: High-intensity interval training (HIIT) shows better outcomes than moderate-intensive continuous training (MICT) regarding mental illness. There are no publications that examine the physiological backgrounds of this to date. Relevant biomarkers in psychiatry, like cortisol and brain derived neurotrophic factor (BDNF), could potentially explain the difference in efficacy.

Material and Methods: Medical databases were systematically reviewed. Studies with adult subjects, in which HIIT was compared to MICT regarding base levels of BDNF or Cortisol, were included. The studies were reviewed based on fixed criteria and evaluated regarding their quality.

Results: Ten studies were included in the systematic review, eight of which were randomized, controlled trials (RCTs). HIIT lead to a significant increase of BDNF in 50% of studies, MICT showed no such effect. Regarding cortisol levels, there were no significant differences between HIIT and MICT. The studies examining BDNF were of higher quality.

Conclusions: BDNF levels may partially explain why HIIT shows higher efficacy in the treatment of mental illness than MICT. Nevertheless, more high-quality studies are needed to illuminate this area of research.


Abstract [DE]

Hintergrund: Hochintensives Intervalltraining (HIIT) ist eine Art der körperlichen Aktivität, welche im Gegensatz zu moderatintensivem kontinuierlichem Training (MICT) hinsichtlich psychischer Erkrankungen effektiver zu wirken scheint. Bisher gibt es in der Literatur keine Publikationen, die die physiologischen Hintergründe dieser Überlegenheit klären. Die psychisch relevanten Biomarker Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF) und Cortisol könnten hier eine entscheidende Rolle spielen.

Material und Methoden: Medizinische Fachdatenbanken wurden systematisch durchsucht. Es wurden klinische Studien an erwachsenen Proband:innen eingeschlossen, die die Auswirkungen von HIIT im Vergleich zu MICT auf basale BDNF- oder Cortisolspiegel   verglichen haben. Die identifizierten Studien wurden nach festgelegten Kriterien untersucht und hinsichtlich ihrer Qualität bewertet.

Ergebnisse: Es konnten insgesamt zehn Studien in das Review eingeschlossen werden, acht davon waren randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs). HIIT erhöhte basale BDNF-Spiegel in 50% der eingeschlossenen Studien signifikant, MICT führte zu keiner signifikanten Änderung. Hinsichtlich der basalen Cortisolspiegel gab es zwischen HIIT und MICT keine signifikanten Unterschiede. Hauptlimitationen sind die heterogenen Studienpopulationen und Aspekte der Studienqualität. Die BDNF-Studien waren qualitativ hochwertiger.

Schlussfolgerungen: BDNF stellt im Gegensatz zu Cortisol möglicherweise einen Teil des Erklärungsansatzes für die Fragestellung dar. Es werden noch weitere, qualitativ hochwertige Studien gebraucht, die diesen Sachverhalt aufarbeiten.


1       Einleitung

1.1     Sportpsychiatrie

Die Sportpsychiatrie als Teilgebiet der Psychiatrie beschäftigt sich unter anderem mit der Behandlung von psychischen Erkrankungen mithilfe von körperlicher Aktivität und hat sich in den letzten Jahrzehnten als ein wichtiges Werkzeug für dessen Behandlung etabliert. Mittlerweile wird körperliche Aktivität bei fast allen psychischen Erkrankungen zusätzlich zur Psychotherapie und/oder Medikation empfohlen[1]. Im Gegensatz zu anderen Therapieansätzen bietet körperliche Aktivität den entscheidenden Vorteil, dass sie einfach und preiswert auszuführen ist, Nebenwirkungen selten sind und Patient:innen oft auch eigenständig Sport treiben können[2][3].

1.2     Biomarker bei der unipolaren Depression

In der Psychiatrie gibt es wenige objektivierbare Parameter, auf denen man Diagnose und Verlauf von Patient:innen stützen kann, weswegen es die physiologischen Hintergründe und potentielle Biomarker zu erforschen gilt[4]. Die unipolare Depression (UD), mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 10-20%, stellt eine der relevantesten Erkrankungen in der Psychiatrie dar[5]. In der Literatur werden unter anderem die Biomarker BDNF und Cortisol mit der UD in Verbindung gebracht[6].

BDNF ist ein Wachstumsfaktor für Nervenzellen. Seit einigen Jahren gibt es die sogenannte „Neurotrophin Theory of Depression“, welche niedrige Konzentrationen dieser Wachstumsfaktoren für die UD verantwortlich macht. Wenn BDNF-Spiegel in Individuen zunehmen, sollte dies demnach auch mit einer Verbesserung der klinischen Symptomatik einhergehen[7]. Cortisol ist ein Glucocorticoid, welches u.a. für die Blutzucker-Homöostase verantwortlich ist und als das klassische „Stresshormon“ gilt. Es kommt bei der UD in der Regel zu erhöhten Cortisolspiegeln und einer Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, welche die Cortisolausschüttung reguliert. Dies wird schon seit Jahrzehnten als ein wichtiger Teil der Pathophysiologie der Depression angesehen, sinkende Cortisolspiegel können somit ein Indiz für die Verbesserung der Symptomatik sein[8]

1.3     HIIT und MICT bei psychiatrischen Erkrankungen

HIIT ist eine Trainingsform, bei der man 80-100% seiner maximalen Herzfrequenz (HR max.) erreicht. Diese Intensität wird jedoch nicht für den Rest des Trainings aufrechterhalten, sondern nur in einzelnen, festgelegten Intervallen erreicht, die von Ruhephasen getrennt sind, in denen die Herzfrequenz abnimmt[9]. Im Gegensatz dazu gibt es auch noch MICT, welches die klassische Form von Ausdauertraining darstellt und auch in den meisten Leitlinien zu körperlicher Aktivität empfohlen wird. Hier ist die Intensität moderat, es wird ca. 70% der HR max. erreicht und es kommt zu einer kontinuierlichen Ausdauerleistung[10]. Die durchschnittliche Intensität des gesamten Trainings bei HIIT und MICT unterscheidet sich kaum voneinander und die Protokolle führen bei gleichem Zeitrahmen normalerweise zu einem nahezu gleich hohem Kalorienverbrauch[11].

Die Ergebnisse von Meta-Analysen von Korman et al.[12] zur Effektivität von HIIT und MICT in Bezug auf schwere psychische Erkrankungen waren unter anderem, dass beide zu einer Verbesserung der psychischen Symptomatik führen, welches auch durch die Meta-Analyse von Martland et al.[13] gestützt wird. Zudem verbessert HIIT die Symptomatik bei Patient:innen mit UD effektiver als MICT[14]. Körperliche Aktivität hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Konzentration von BDNF und Cortisol. Basale Cortisolspiegel werden verringert[15], während basale BDNF-Werte durch körperliche Aktivität erhöht werden können[16].

1.4     Zielsetzung

Ein wichtiges Ziel der Forschung in der Psychiatrie ist das Untersuchen der physiologischen Komponente von psychischen Erkrankungen und deren Therapien. Ungeklärt bleibt vor allem der Einfluss einzelner Biomarker auf diese Prozesse[7][8]. Daher ist es wichtig zu klären, inwiefern die Überlegenheit von HIIT im Vergleich zu MICT hinsichtlich der Verbesserung der depressiven Symptomatik sich in den psychisch relevanten Biomarkern BDNF und Cortisol widerspiegelt. Dadurch soll die physiologische Komponente von Sportinterventionen besser verstanden werden und im Zuge dessen könnten Patient:innen hochspezifische, wirksame Therapien und Empfehlungen erhalten.

2       Material und Methoden

2.1     Suchstrategie

Die systematische Suche erfolgte in den medizinischen Fachdatenbanken MEDLINE (PubMed) und EMBASE (Ovid). Die Recherche fand im Zeitraum vom 8.6.2021 - 17.6.2021 statt. Gesucht wurde nach Studien, welche die Effekte von HIIT im Vergleich zu MICT auf die Biomarker Cortisol und/oder BDNF untersucht haben. Die Anfrage lautete für PubMed:

("High-Intensity Interval Training"[Mesh] OR high intensity interval training OR HIIT OR HIT) AND ("Brain-Derived Neurotrophic Factor"[Mesh] OR Brain derived neurotrophic factor OR BDNF OR "Hydrocortisone"[Mesh] OR cortisone OR cortisol)

Folgende Suchanfrage wurde für Ovid verwendet:

(exp high intensity interval training/ OR high intensity interval training OR HIIT OR HIT) AND (exp brain derived neurotrophic factor/ OR brain derived neurotrophic factor OR BDNF OR exp hydrocortisone/ OR cortisone OR cortisol). 

2.2     Auswahlkriterien

Publikationen, welche vor dem Jahr 2000 publiziert wurden, wurden nicht berücksichtigt, um zu gewährleisten, dass möglichst aktuelle Ergebnisse einbezogen werden. Studien, die anstatt von HIIT nur Sprint-Intervalltraining untersuchten, wurden ausgeschlossen, da Sprint-Intervalltraining trotz der Ähnlichkeit zu HIIT grundsätzlich noch intensiver ist[9]. Außerdem wurde darauf geachtet, dass nur Studien mit Menschen erwachsenen Menschen ab 18 Jahren berücksichtigt werden und in den Studien das Hauptaugenmerk auf Ausdauertraining gelegt wird. Aufgrund der kleinen Anzahl an Studien zu gesunden Proband:innen wurden alle Studien, unabhängig des Gesundheitszustands der Patient:innen, mit einbezogen. Es wurden keine Studien einbezogen, die nur die akuten Effekte von körperlicher Aktivität auf die Cortisolspiegel überprüfen. Das liegt daran, dass körperliche Aktivität in der Regel immer akut zu einer Erhöhung der Cortisolspiegel führt, sodass keine Aussagen über die langfristigen Basalwerte getroffen werden können[17]. Bei BDNF hingegen wurden auch Studien mit einbezogen, die die akuten Effekte von körperlicher Aktivität untersuchten.

2.3     Datengewinnung

Die Daten wurden durch systematisches Lesen und Analysieren der Volltexte gewonnen. Um die Vergleichbarkeit der Studien zu erhöhen, wurde versucht, in den jeweiligen Publikationen ähnliche Messzeitpunkte für die Auswertung auszuwählen, da bei einigen Studien mehr als zwei Datenpunkte vorlagen. Dabei wurden das Aufwärmen und das „cool down“ nach dem Training nicht zur Trainingszeit dazugezählt und sind auch in den Angaben zur Dauer des Trainings nicht enthalten. Bei Studien, die die längerfristigen Auswirkungen von Training untersuchten, wurden nach Möglichkeit nur die Baseline- und die nächstliegenden Follow-Up Messwerte berücksichtigt.

In einigen Studien, u.a. von Boyne et al.[18] gab es neben der HIIT- und MICT-Laufband-Gruppe weitere Gruppen, die andere Trainingsinterventionen wahrgenommen haben oder Teil der Kontrollgruppe waren. Diese wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt und in den Tabellen nicht erwähnt.

2.4     Qualitätsprüfung

Bei der Qualitätsprüfung wurde v.a. auf folgende Kriterien geachtet: Baseline-Unterschiede zwischen den Gruppen, Verblindung und Randomisierung. Aufgrund der Interventionsart war eine Verblindung nicht in allen Fällen möglich, unter anderem bei den Patient:innen der Interventionsgruppe und einigen Mitarbeiter:innen. Die Dropouts der verschiedenen Studien wurden auch anhand verschiedener Kriterien analysiert und bewertet. Dabei wurde darauf geachtet, ob die Dropouts dokumentiert wurden, wie das Verhältnis zwischen der HIIT- und MICT-Gruppe war und die Gründe für das Ausscheiden wurden aufgelistet. Die Tabellen zur Studienqualität sind als Ergänzung im Anhang dieser Publikation zu finden (Tab. 5 und 6). 

3       Ergebnisse

3.1     Suchergebnisse

Die Ergebnisse der systematischen Suche in den medizinischen Datenbanken MEDLINE und EMBASE sind in der Abb. 1 dargestellt. Nach der Entfernung von Duplikaten konnten 384 Studien für das erste Screening identifiziert werden. Es wurden die Abstracts aller Studien ausgewertet, wodurch 19 davon für den nächsten Schritt ausfindig gemacht werden konnten. In der darauffolgenden Eignungsprüfung wurde der Volltext dieser Studien gelesen und neun wurden aufgrund der in Abb. 1 genannten Gründe aussortiert. Bei zwei dieser Studien konnte erst im Volltext identifiziert werden, dass das Studiendesign nicht zur Fragestellung des Reviews passt. Bei den Studien, die aufgrund von fehlenden Daten ausgeschlossen wurden, konnten die relevanten Werte für BDNF oder Cortisol aus den Volltexten nicht gewonnen werden, zum Beispiel weil die Werte graphisch dargestellt waren, es aber keine Auflistung der absoluten Zahlen gab. Insgesamt konnten zehn Studien in das Review einbezogen werden, darunter acht RCTs[18][19][20][21][22][23][24][25][26][27].

Abb. 1 : Suchverlauf

3.2     BDNF

In Bezug auf BDNF konnten insgesamt sechs Studien identifiziert werden. Es wurden dabei Interventionsstudien mit und ohne Crossover-Design einbezogen. Die Crossover-Studien zeigen die akuten Effekte des Trainings auf den BDNF-Spiegel im Blut, während die Interventionsstudien ohne Crossover-Design die langfristigen Auswirkungen untersuchten.

Die Studien wiesen allgemein einen ähnlichen Aufbau auf, welches durch die spezifischen Auswahlkriterien zustande kam (Tab. 1). Es gab allerdings auch wichtige methodische Unterschiede, u.a. in Bezug auf Intensität und Intervalllänge, die Dauer des Trainings und die einzelnen Sportinterventionen. In Bezug auf die Geschlechterverteilung und den Altersdurchschnitt wiesen die Studien eine Tendenz zu älteren, männlichen Probanden auf. Zudem gab es auch gravierende Unterschiede zwischen dem Gesundheitszustand der Patient:innen: einige sind gesund, jung und körperlich aktiv, während andere älter und gesundheitlich beeinträchtigt waren. Die Messung der BDNF-Werte erfolgte immer per Blutentnahme (BE).

Tabelle 1 : Methodischer Aufbau der BDNF-Studien

Die Studien erfüllen viele der angeführten Qualitätskriterien, fast alle wurden randomisiert und bei einigen konnte auch teilweise eine Verblindung erfolgen[18][19][21][23]. Die Dropouts sind gut dokumentiert, es gab keine auffälligen Unterschiede zwischen den Dropout-Raten der HIIT- und MICT-Gruppen.

HIIT ist MICT bei 3 dieser Studien signifikant überlegen (Tab. 2). Wenn man auch nicht-signifikante Trends betrachtet, zeigt sich dieser Trend in jeder Studie, mit der Ausnahme von der von O’Callaghan et al.[21]. Somit liegt es nahe, dass HIIT akut und langfristig zu einer signifikanten Verbesserung der BDNF-Werte führt, wohingegen dies beim MICT nicht zu sehen ist.

Tabelle 2: Ergebnisse der BDNF-Studien

3.3     Cortisol

Bei der Recherche konnten insgesamt 4 Studien identifiziert werden, die sich mit dem Biomarker Cortisol beschäftigt haben. Im Gegensatz zu den BDNF-Studien weisen die Cortisol-Studien starke Unterschiede untereinander auf, vor allem in Bezug auf Studienlänge, Trainingsaufbau und Sportart (Tab. 3). Zudem wurde die Messung von Cortisol in der Studie von Born et al.[24] im Gegensatz zu den anderen Studien im Speichel vorgenommen. Kong et al. behandelten nur Frauen[25], Born et al. nur Männer[24], bei den restlichen sind die Geschlechter gleichmäßig verteilt. 

Tabelle 3: Methodischer Aufbau der Cortisol-Studien

Die Studien erfüllen nicht alle Qualitätskriterien und weisen im Vergleich zu den BDNF-Studien einige Mängel auf. Zwar sind 3 von 4 Studien RCTs, allerdings wurde nur in 50% der Fälle teilweise verblindet. Trotzdem die Studien teilweise RCTs sind, gibt es in 3 von 4 Studien signifikante Baseline-Unterschiede zwischen den Interventionsgruppen[24][26][27]. Die Dropouts wurden gut dokumentiert und weisen zwischen HIIT und MICT keine Unterschiede auf. Allerdings wurde bei der Studie von Born et al.[24] keine Dropouts im Volltext erwähnt.

In den HIIT- und MICT-Gruppen konnte jeweils in 3 von 4 Studien eine Reduktion der basalen Cortisolspiegel erreicht werden (Tab. 4). Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen wurde in keiner Studie als signifikant beschrieben. Diese Ergebnisse legen nahe, dass beide Interventionen allgemein eine Tendenz zu sinkenden Cortisolspiegeln erzeugen, untereinander aber keine Unterschiede vorliegen.

Tabelle 4: Ergebnisse der Cortisol-Studien

4       Diskussion

4.1     Hauptergebnisse

Die Wirksamkeit von HIIT im Vergleich zu MICT wird bei der Betrachtung der BDNF-Studien nahegelegt, da sich in der Hälfte der Studien ein signifikanter Unterschied in Bezug auf BDNF im Blut zwischen den Gruppen zeigt. Die Ergebnisse der BDNF-Studien lassen sich vielleicht darauf zurückführen, dass im Vergleich zu den Cortisol-Studien allgemein mehr Studien mit einbezogen werden konnten, diese qualitativ hochwertiger waren und die Methodik nicht zu stark voneinander abwich.

Hinsichtlich der basalen Cortisolspiegel lassen sich anhand der Ergebnisse keine direkten Aussagen treffen. Es gab lediglich einen Trend, der zeigte, dass beide Interventionen zu einer Reduktion der basalen Cortisolspiegel führen. Ursache dafür könnte die niedrigere Aussagekraft und die teilweise deutlichen Qualitätsmängel der Cortisol-Studien sein. Andererseits könnte der Aufbau der Trainingsprotokolle auch eine Rolle spielen. Bei Dote-Montero et al.[26] und Kong et al.[25], in denen MICT zu einer stärkeren Reduktion der Cortisolspiegel führte, haben die Patient:innen in der MICT-Interventionsgruppe auch deutlich mehr und länger trainiert als in der HIIT-Gruppe. Bei der Studie von Magalhães et al.[27], in der darauf geachtet wurde, dass die beiden Interventionen im Durchschnitt ähnlich intensiv verlaufen, führte die HIIT-Intervention zu einer stärkeren Reduktion der Werte. Das könnte darauf hindeuten, dass MICT in diesen Fällen aufgrund des Trainingsprogramms effektiver war als HIIT.

4.2     Stärken und Limitationen

Das Lesen und Analysieren der Literatur wurde nur durch eine Person durchgeführt, was potenziell zu Fehlern in den Ergebnissen geführt haben könnte. Die Anzahl an Studien zu der Fragestellung war begrenzt, weswegen sehr heterogene Studienpopulationen einbezogen werden mussten. Eine große Rolle könnte das Einbeziehen von Populationen unabhängig vom Gesundheitszustand spielen: zum Beispiel weisen Patient:innen mit Morbus Parkinson verminderte BDNF-Spiegel auf, welches die Vergleichbarkeit der einzelnen Studienpopulationen erschwert[28]. Hervorzuheben ist außerdem, dass die absolut gemessenen Werte von BDNF und Cortisol sich zwischen den einzelnen Studien stark voneinander unterschieden haben. Die Gründe hierfür sind unklar, ungenaue Messmethoden wurden jedoch schon in anderen Reviews als Störfaktor beschrieben[29]. Dadurch können die Ergebnisse dieses Reviews nur eingeschränkt auf andere Populationen übertragen werden. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass die Konzentration von BDNF im Gehirn bei Schlaganfällen nicht mit der Konzentration im Serum korreliert, welches implizieren könnte, dass man von der Serumkonzentration nicht auf die neuronalen Wirkungen schließen könnte[30]. Bis Forschungsergebnisse bei Menschen vorliegen und diese Messmethodik direkt infrage gestellt wird, stellt die Bestimmung von BDNF im Serum allerdings weiterhin die Standardmethode dar. In zwei der Studien fand keine Randomisierung statt, weswegen der potenzielle Selektionsbias dieser Studien genannt werden muss. Ein relevanter Attrition-Bias ist in diesem Review unwahrscheinlich, da die Dropouts gut dokumentiert wurden und es keine großen Unterschiede zwischen den HIIT- und MICT-Gruppen gab, trotz der fehlenden Werte in der Studie von Born et al.[24].

Dieses Review ist das erste, welches die psychophysiologische Komponente von HIIT im Vergleich zu MICT untersucht. Es wurden mehrere Fachdatenbanken durchsucht und die Studien wurden spezifisch gewählt. Im Zuge der Recherche konnten aktuelle Studien identifiziert werden, die Älteste wurde 2015 publiziert. Die Aktualität der Daten unterstreicht die Aussagekraft dieses Reviews.

4.3     Offene Fragen und Forschungsmöglichkeiten

Es ist unklar, welche Rolle die Schwächen dieses Reviews spielen. Die Relevanz der in 4.1 besprochenen potenziellen Ursachen der Ergebnisse der Cortisol-Studien bleibt auch noch ungeklärt. Wichtig wäre es zu sehen, ob die Effekte, die man in diesem Review gesehen hat, sich auch bei Patient:innen mit psychischen Erkrankungen replizieren lassen. Leider gab es keine Studie, die diesen Sachverhalt untersucht hat. Auch gibt es sicherlich andere objektivierbare Biomarker mit psychischer Relevanz, die jedoch nicht in dieses Review mit einbezogen werden konnten. Bei den meisten Studien lag der Fokus auf dem Individuum und auf individuellen Trainingseinheiten, Training in Gruppen war die Ausnahme und wurde nicht spezifisch thematisiert. Gruppentraining scheint bei der Reduktion von Stress und der Verbesserung der Lebensqualität effektiver zu sein als Einzeltraining, weshalb dieser Aspekt in zukünftiger Forschung auch aufgegriffen werden sollte[31]. Anhand von qualitativ hochwertigen RCTs, welche HIIT und MICT anhand von den relevanten Biomarken vergleichen und gleichzeitig die Symptomatik von Patienten mit psychischen Erkrankungen erheben, könnten weitere bedeutende Erkenntnisse gewonnen werden. 

4.4     Zusammenfassung

Die physiologische Komponente der Sportpsychiatrie bleibt weitestgehend ungeklärt. Das populäre HIIT hat sich in den letzten Jahren als eine vielversprechende Methode in diesem Feld gezeigt, jedoch ist noch offen, welche Prozesse hinter der Überlegenheit gegenüber MICT stecken. Dieses Review hat versucht herauszufinden, inwiefern HIIT und MICT sich in Bezug auf ihren Einfluss auf psychisch relevante Biomarker unterscheiden, als Biomarker wurden dafür BDNF und Cortisol ausgewählt. Im Hinblick auf BDNF scheint HIIT einen deutlich stärkeren Effekt zu erzeugen als MICT, bei Cortisol wurden bei den ausgewählten Studien keine klaren Trends festgestellt. BDNF könnte somit zumindest ein Teil des Erklärungsansatzes darstellen, warum Symptome der UD durch HIIT effektiver gelindert werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse wahrscheinlich maßgeblich durch die heterogenen Eigenschaften der Studien beeinflusst worden sind, weswegen die klinische Relevanz nicht überschätzt werden sollte. Demnach werden weitere, hochwertige Studien gebraucht, die diesen Sachverhalt beleuchten, um Patient:innen in Zukunft spezifische und effektive Therapieempfehlungen anbieten zu können.


Abbildungen & Tabellen:

Comments
53
Tim Aurich:

weitermachen

Melanie Mauch:

Ein sehr interessantes Thema und im Text sind sehr gute Ansätze zu finden. Den Autor:innen liegt das Thema offentlichtlich am Herzen und sie haben sich große Mühe gegeben auch bei dünner Studienlage Erkentnisse zu gewinnen. Kompliment dafür!

Methodisch und sprachlich sind allerdings von Verbesserungen notwendig.

Ihr seid auf einem guten Weg, belibt dran!

Melanie Mauch:

Die Gründe hierfür können Verzerrungen, wie Messfehler, Beobachtungsfehler etc. sein.

Bitte mit BIAS auseinandersetzen

Melanie Mauch:

wer hat das mehrmals geprüft? Bezieht sich das auf den Review? Wenn ja, dann sollte es hier selbstverständlich sein die Ergebnisse mehrmals zu prüfen.

Melanie Mauch:

Diese Sätze rücken das Review in ein schlechtes Licht. Lieber umformulieren: Aufgrund der begrenzten Anzahl an Publikationen mussten zur Beantwortung der Forschungsfrage….

Melanie Mauch:

Sprache: zu umgangssprachliche Formulierung

Melanie Mauch:

Sprache: “nur” ist zu negativ, da es die anderen Einflussgrößen wiederum ausschließt, lieber weglassen.

Melanie Mauch:

Roter Faden: die niedrigere Aussagekraft wurde zwar angestrichen, aber so richtig verstanden warum sie niedrig ist habe ich noch nicht.

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwörter weglassen

Melanie Mauch:

Sprache: Satzstellung: Es gab lediglich…

Melanie Mauch:

Sprache: missverständlich formuliert, lieber überarbeiten

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwort

Melanie Mauch:

Sprache: erwähnt passt nicht. besser beschrieben und p-Wert angeben

Melanie Mauch:

Und was ist das für ein Bias?

Allgemein sollten die möglichen Bias diskutiert werden

Melanie Mauch:

Welche Qualitätskriterien?

Es sollte ein validiertes Bewertungsinstrument gewählt werden.

Bsp: Cochrane Risk-of-Bias-Tool für RCT

Melanie Mauch:

Unterschied qualitatitv und quantitativ nachschlagen, s. Kommentar oben

Melanie Mauch:

Sprache: Aufgrund der Art der Intervention war eine Verblindung nicht in allen….

Melanie Mauch:

Warum nicht die dt. Begegriffe? Englische mit ““ sind möglich, sollten aber nur, wenn es gar kein dt. Wort gibt, oder es nicht verständlich wäre.

Melanie Mauch:

evtl. weglassen, es ist auch ohne Beispiel verständlich

Melanie Mauch:

Sind diese Tabellen als Supplement einsehbar? Wenn nicht, dann auch nicht explizit erwähnen.

Melanie Mauch:

Sprache: lieber im Passiv formulieren. “Man” ist zu umgangssprachlich.

Melanie Mauch:

Evtl. weglassen. Im PRISMA-Schema ist dieser Punkt bereits angeführt.

Melanie Mauch:

Die Suchstrategie ist eher etwas für den Anhang, bzw. das Supplement.

Diese Suchstrategie ist etwas kurz geraten, es wurde lediglich nach der Intervention und dem Outcome gesucht. Die Kontrolle bleibt unerwähnt. Ebenso die Pppulation.

Bitte Filter benennen und mit PICOs-Schema vertraut machen.

Melanie Mauch:

Sprache: besser: soll

Melanie Mauch:

Hier sollte das Ziel des Reviews dargestellt werden, nicht ein allegeines Ziel im Fachgebiet

Melanie Mauch:

Fachbegriff: bitte beim ersten Auftreten erklären

Melanie Mauch:

Leitlinien empfehlen

Es gibt verschiedene Empfehlungsgrade.

Melanie Mauch:

Warum diese Erklärung in Klammern? Kann weggelassen werden

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwörter weglassen

Melanie Mauch:

Blutserum? Nur das Wort Spiegel ist unverständlich

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwörter weglassen

Melanie Mauch:

Sprache: besser wenige und Beispiele benennen

Melanie Mauch:

und die anderen? Beobachtungsstudien?

Melanie Mauch:

ok, aber in Bezug auf? Bitte Bewertungsinstrument mit angeben

Tim Aurich:

Danke! Hier gibt es keinen Platz, darauf in mehr Detail einzugehen. Auch im Paper gab es leider nicht die Möglichkeit, die Tabellen über die Studienqualität einzubeziehen, da nur für vier Tabellen Platz war. Die Aussage ist deswegen mit Absicht verallgemeinert formuliert.

Melanie Mauch:

Sprache: zu umgangssprachlich

Melanie Mauch:

besser: eingeschlossenen

Melanie Mauch:

qualitatives review?

Hier handelt es sich um quantitative Forschung!

qualitativ erfasst die Beschreibung eines Phänomens, die Reviewform wäre dann eine Aggregation.

https://www.scribbr.de/methodik/qualitative-forschung-quantitative-forschung/

Melanie Mauch:

Sprache: zu umgangssprachlich, besser Methode

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwort weglassen

Melanie Mauch:

Sprache: Füllwörter streichen

Melanie Mauch:

Sprache: was

Melanie Mauch:

Auch hier: welcher Studientyp ist gemeint?

Melanie Mauch:

Crossover ist ein Subtyp an Studie. Eine RCT kann beispielsweise eine Cross-over sein, wenn die Intervention von einer in die andere Gruppe wechselt. Das geht natürlich auch bei anderen Studientypen mit 2 Gruppen.

Bitte mit Studientypen vertraut machen!

Melanie Mauch:

was ist eine klassische klinische Studie?

Ich vermute mal, dass damit eine nichtrandomisierte klinische Studie gemeint ist.

Melanie Mauch:

Sprache: Volltexte, Das Wort Volltext-Studien gibt es nicht

Methodik: Screenen und Bewertung der Literatur muss immer von 2 unabhängigen Personen durchgeführt werden (Qualitätssicherung, 4-Augen-Prinzip). Wenn das nicht so geschehen ist, dann muss es als potentieller Bias bei den Limitationen beschrieben werden.

Willi Schrader:

Population darstellen. Hsu et al., 2021 z.B war limitiert, da seine Part. in keinster Weise gleichmäßig aufgeteilt waren. 10 HIIT/ 13 für MICT für die kleine Gruppe kann es schon einen Unterschied machen.

Willi Schrader:

Keine absolute. Sie deuten daraufhin aber nicht darauf festhalten, dass es das klar darstellt.

Willi Schrader:

Ziel der Studie und wer/wie Training durchgeführt bzw. überwacht hat/wurde darstellen (Unterschied zw. Gruppentraining und Einzeltraining auf Wirkung)

Willi Schrader:

Zur Übersichtlichkeit und Auswertung könnten hier die CASP Checkliste für RCTs genutzt werden.

Willi Schrader:

Wurde es von einer Person gelesen oder waren es zwei Personen die unabhängig die Texte ausgewertet haben?

Willi Schrader:

Vielleicht inkludiere hier welche Studienjahre eingezogen wurden z.B. 2000-2022 weil alles davor veraltet,etc.

Willi Schrader:

Würde hier noch theoretische Intervalle der HR. die in den Ruhephasen erreicht werden sollte

Fatih Yalcin:

Preprints are preliminary articles that have not yet been peer-reviewed. They should not be used to guide clinical practice or health-related behaviors. Nor should they be published in the media as a reliable source of scientific information. Please let us know, if you have any questions: [email protected]

Editorial-Team of BEM